Paola Lenti bei Seipp in Waldshut

Möbel von Paola Lenti untermalt mit Gedanken zu Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz.

Nach der Legende soll der Filz so entstanden sein: Die Schafe in der Arche Noah hätten im engen Boot wegen der Wärme und der Mangelernährung einen Teil ihrer Wolle verloren. Auf dieser sei dann uriniert und herumgetrampelt worden. Am Tag der glücklichen Landung der Arche blieb schließlich ein dichter Filzteppich am Boden des Bootes zurück…

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

Wahrscheinlich war der erste vom Mensch verwendet Wollstoff, Filz. Vermutlich ist die Idee zur Filzherstellung aufgrund von Naturbeobachtungen entstanden: Im Frühjahr werfen Wildschafe ihr verfilztes Vlies in Klumpen ab, die eine filzartige Struktur haben.

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

In Zentralasien, wo die Filzherstellung eine Jahrhunderte alte Tradition hat, wird der Stoff seit vielen Generationen nach dem selben Muster produziert. Die Schafe werden im Fluss gewaschen und geschoren. Das Vlies wird anschließend mit Stöcken behandelt, um die in der Wolle hängen gebliebenen Pflanzenteile und Verschmutzungen zu entfernen.

Dann wird die Wolle zur Auflockerung der Fasern intensiv geschlagen, daraufhin gleichmäßig ausgebreitet, mit heißem Wasser besprengt und zu einem Bündel geschlungen, das über mehrere Stunden hin- und hergerollt wird. Das so entstandene dichte Gewebe wurde zur Herstellung von Zelten, Teppichen, aber auch von warmer, schützender Bekleidung wie Mäntel, Stiefeln und Hüten verwendet.

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

Auch heute wird Filz noch nach diesem Muster gefertigt, allerdings mit neuen technischen Verfahren: die Handarbeit wird durch Maschinen ersetzt.

Ungesponnene Rohwolle wird in der gewünschten Schichtstärke übereinander gelegt und mit einem Baumwolltuch bedeckt. Während das ganze Paket mit Wasser besprengt wird, übt eine Walze gleichmäßigen Druck aus. Die Fasern rollen sich durch diesen Walkvorgang wie kleine Federn auf und verhaken sich aufgrund ihrer schuppenähnlichen Strukturen unauflöslich ineinander. Je stärker sie schrumpfen, desto kräftiger und fester wird der Filz.

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

In den fünfziger Jahren war der sog. Nadelfilz-Teppich, den es in quadratischen Platten zu kaufen gab, der billigste Teppichbelag überhaupt. Hat er dazu beigetragen, dass Filz bis vor kurzem als Billig- und Hässlichmaterial galt?

Oder hat Beuys dem Material als außergewöhnlich konzentriertem Energieträger einen solchen Nimbus verliehen, dass es in der Folge Tabu war für die Hände von Modemachern und Designern?

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

Die guten alten Filzpantoffeln gab es immer, doch galten sie als verstaubtes Relikt aus Großvaters Studierzimmer. Heute werden die Filzpantoffeln in Designläden wieder mit Erfolg verkauft: sowohl in althergebrachten Formen wie auch als schicke Neuschöpfungen junger Designer.

Es besteht kein Zweifel: Filz ist wieder „in“, seine Eigenschaften werden wieder geschätzt, seine Qualitäten neu interpretiert. Denn dadurch, dass Filz nicht gewoben wird, ist es möglich, ihn in fast beliebiger Dicke herzustellen. Seine Ränder fasern nicht aus, er kann folglich einfach in Form geschnitten werden. Zudem kann er nicht nur als flaches Vlies produziert werden, sondern plastische Formen annehmen. Da für seine Herstellung keine großen und komplizierten Webstühle nötig sind, kann er auch von kleinen handwerklichen Produzenten ohne großen Aufwand hergestellt werden.

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

Auch bei den Teppichen findet ein Umdenken statt. Nadelfilzplatten waren einst der Inbegriff für einen billigen, tristen Bodenbelag. Heute gilt der strapazierfähige Filz als edles Material für Designerteppiche der oberen Preisklasse.

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

Weniger rustikal, sondern sehr fashionable wirken die kleinen Polstermöbel mit Filzbezug von Paola Lenti. Ihre runden oder rechteckigen Hocker und neuerdings auch die kleinen, aus abgeschnittenen Ovalformen kombinierten Schaukelstühle "Dondolo" für die kleingewachsenen Erwachsenen stehen heute in vielen Interieurs, und zeigen auf, dass ihre Bewohner modisch auf der Höhe sind.

Die trockene Oberfläche ohne zusätzliche textile Struktur, welche für den Filz so kennzeichnend ist, wie auch seine Farbintensität heben die skulpturalen Formen vom Polstermöbeln, wie sie momentan en vogue sind, ganz besonders hervor.

Deshalb findet eine weitere filzähnliche Textilsorte wieder häufig Verwendung: Das sog. Tuch, vielfach auch Kavallerietuch genannt, ist ein gewobener Stoff, der nachträglich gewalkt wird, bis er eine filzähnliche Oberfläche aufweist. Der gewobene Stoff zieht sich bei diesem Prozess stark zusammen, verdichtet sich also und wird dadurch sehr strapazierfähig, die Webstruktur ist nach diesem Prozess nicht mehr sichtbar.

Paola Lenti mit Ihrem bevorzugten Naturmaterial: Schurwollfilz

Als Material, das den Kontrast „hart - weich“ oder „glänzend - matt“ und wohl auch „modern - archaisch“ verkörpert, ist der Filz gerade in letzter Zeit häufig eingesetzt worden.

Der kleine Überblick zeigt: Das Material Filz birgt ungeahnte Spannungen in sich und entspricht damit unserer Zeit. Es ist teuer, sieht aber nicht so aus und eignet sich somit für den "Kenner", der sich durch sein Wissen um den Wert des unscheinbaren Objekts von seinem Umfeld abhebt. Filz ist nie spektakulär, wird aber im Verbund mit anderen Materialien aufsehenerregend.